Teil 2: Ungewisse Anfänge

Ungewisse Anfänge

Menschen feiern ihre Geburtstage, begehen freudig ihr Wiegenfest, den Tag, an dem sie das Licht der Welt erblickten. Orte haben nur selten das Glück, ihren Geburtstag, also den Tag der ersten Grundsteinlegung, zu feiern. Meist stehen Haus und Stallungen längst, bis Orte Eingang in die Geschichtsbücher finden. Oft sind es im weitesten Sinne Eigentumsverzeichnisse, in denen Dörfer erstmals namentlich genannt werden. Wenn Eigentum wechselt, wird die Änderung in einem Vertrag oder in einer Urkunde festgehalten. Im Falle Dittlofrods fällt im Jahre 1151 das erste Licht der Geschichte durch solch einen Eigentumswechsel in Form einer Schenkung auf den Ort.


In der entsprechenden Urkunde heißt es:

“Die Getreuen Gottes, künftige wie gegenwärtige, mögen das getreulich und fest erkennen, an das alle Christen glauben.

Die Erben des Wigand von Queckkaha (“Queck”), Dienstmann der hiesigen Kirche, haben in der Hoffnung, dass dieser nach seinem Tod vor dem Richter von seinen Sünden erlöst werde, ein Gut in Ditolfesrode (“Dittlofrod”), das sie nach Verwandtschaftsrecht von ihm erbweise besitzen, den getreuen Mönchen der Fuldaer Kirche zu seinem Seelenheil übergeben, damit der von diesem Gut fällige Zins in deren alleinigen Nutzen übergehe. Die Übergabe wurde mit dem Versprechen an die Verwandten des verstorbenen Wigand verbunden, dass die ehrwürdigen Brüder der heiligen Fuldaer Kirche, die niemals von ihren Bitten für die Gläubigen abstehen und die für empfangene Schenkungen frommer Männer versprechen zu beten und sich in brüderlichem Gehorsam zu zeigen, den verstorbenen Wigand wegen der Frömmigkeit und dem Glauben der Schenker in ihrer brüderlichen Gemeinschaft im Fuldaer Kloster nun und in allen Zeiten behalten. Zeugen dieser Sache sind: “Wigand und dessen Geschwister Berthoh und Almut, Trageboto, Gerlah, Adelbero und sonstige Dienstleute”.


Aus Sorge, die vielen begangenen Sünden des Wigand von Queck könnten ohne die Gebete der Fuldaer Mönche nach dessen Ableben sein Seelenheil betrüben, baute die Familie des Dienstmannes vor: eine Schenkung eines Gutes in Dittlofrod sollte die Mönche stets daran erinnern, für den frommen Sünder in allen Zeiten zu beten. Nur war es wirklich die Familie des verblichenen frommen Sünders, die fürs Jenseits vorbauen wollte? Juristisch ist dies nicht schlüssig, weil die von einem Rechtsgeschäft unmittelbar Betroffenen nicht Zeugen ihres eigenen rechtserheblichen Handelns sein können. Richtig dürfte sein, dass es sich bei den drei Zeugen wegen des in anderen Geschlechtern des Umkreises nicht vorkommenden Namens Wigand wohl um drei Brüder aus der Verwandtschaft des verstorbenen Wigand von Queck handelt. Die eigentlichen Erben treten urkundlich nicht mehr hervor.
Von dem als Zeuge genannten Berthous ( = Berthoh ) aus dem Quecker Geschlecht und von dessen Sohn, der wiederum Wigand hieß, ist bekannt, dass beide das hohe Amt eines fuldischen “Dapifers” ausübten, d.h. sie waren Truchsesse, also Küchen- und Hofhaltungschefs der Äbte von Fulda.

Woher kamen die Herren von Queckkaha und wann bzw. wie kamen sie zu der Besitzung, die doch relativ weit entfernt von ihrem Stammsitz lag? Von wem erhielten Sie den Grund und Boden? Und wie kam diese Besitzung zu seinem Namen?

Rund sieben Kilometer von Dittlofrod entfernt, zwischen Stall-, Mors- und dem Hübelsberg gelegen, weisen Dokumente aus dem Jahre 1335 auf ein als wüst bezeichnetes Gelände namens “Queckesmor” hin. Saßen hier einst die Herren von Queckkaha? Wohl kaum. Eine entsprechende Wüstungslage konnte bislang dort nicht nachgewiesen werden und Herren “de Queckesmor” finden sich in keinen Urkunden der Zeit. Fündig hingegen wird man bei denen de Queckkaha, wenn sich die Blicke Richtung Schlitz wenden. So verkaufte im Jahre 1370 ein vermeintlicher Nachfahre Wigands, ein Henricus de Queckkaha, neben seinem Lehengut zu Dittlofrod auch “daz gut zcue Quegka do Heinrich Rumbach itzunt vffe siczet” an einen Bürger zu Schlitz. Queck, der am Ausgang des Mittelalters an Einwohnerzahl und Flurumfang größte Ort des unteren Schlitzerländer Fuldalaufs, bietet sich als Stammsitz des fuldischen ministerialen Geschlechts eher an, als das geographisch näherliegende, einst feuchtgrundige Gelände zwischen den drei Hügeln.

Der Dorfname Dittlofrod verrät zweierlei. Zum einen verdankt der Ort seinen Namen zweifellos einer Rodung. Am Anfang des Ortes steht also die Abholzung des Waldes. Zum anderen verrät der Ortsname den Namen des zumindest aus heutiger Sicht als Umweltfrevler zu bezeichnenden Holzhackers. Ein Ditolf war es, der hier die Axt schwang. Wer ihm die Erlaubnis zur Rodung gab, bleibt offen. In den benachbarten Orten Betzenrod, Erdmannrod und Reckrod heißen die Täter Bezo, Ertmuot und Recco. Wie sich die Zeiten änderten, so änderte sich auch der Ortsname der Rodung des Ditolf. Las man im Jahre 1151 noch Ditolfesrode, rief sich der Ort 1494 Diedulfferaide oder Diedolfenraide. Noch 1701 kam die Post, wenn denn solche kam, nach Ditolfrod. Im 19. Jahrhundert dann bürgerte sich erst die heutige Schreibweise des Ortsnamens ein.

Für Konrad Lübeck, einem Heimatforscher, der sich auf die Ortsgeschichten der alten Ortschaften des Fuldaer Landes spezialisierte, ist es erwähnenswert und gleichsam ungewöhnlich, dass in dem Wigand´schen Schenkungsdokument das Dorf weder als solches (villa), noch das Dörfchen (villula) bezeichnet wird. Das Fehlen jeglicher Bezeichnung verleitet Lübeck zu dessen nicht zu belegender Vermutung, dass der Ort um 1150 “noch keine sonderliche Größe erreicht zu haben” erscheint. Er unterstellt dem Ort eine Entstehungszeit im 8. Jahrhundert, allerdings hat es wohl “Schwierigkeiten in seiner Entwicklung gehabt”.
Lübeck will zudem herausgefunden haben, dass um 1000 bereits in Dittlofrod zwei “mansionarii” (Landsiedler) gesessen haben, die jährlich zwei Schweine an das Fuldaer Kloster zu liefern hatten.

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