Steinerne Zeugen des Glaubens
Im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) muss der Ort, der an der sensiblen Nahtstelle zwischen katholischen und evangelischen Siedlungsgebieten liegt, weit über das Verkraftbare belastet und verwüstet worden sein. Die bereits vor dem Krieg urkundlich belegte Kapelle war acht Jahre nach Kriegsende immer noch zerstört und wurde wohl auch nicht wieder aufgebaut. Der Ort, der bis 1967 als Filiale zur Pfarrei Eiterfeld gehörte, musste bis ins Jahr 1881 warten, bis ein stolzer Kirchturm aus dem Ortsbild herausragte.
Und dieser Kirchturm hatte auch in den bewegten Gründerjahren des neuen deutschen Kaiserreiches seinen Preis. Damals wie heute waren Sponsoren gesuchte Leute. Im Falle des Dittlofröder Kirchbaus kamen sie sogar von selbst: Der Dittlofröder Bauer Valentin Holl und seine Gattin Elisabeth hatten zwei Kinder, der am 01.03.1811 geborene Balthasar sowie seine am 03.12.1812 geborene Schwester Barbara, die nicht heiraten wollten oder auch nicht konnten. Die Ehelosigkeit hielt beide nicht davon ab, ein 1846 im benachbarten Steinbach geborenes Mädchen anzunehmen und aufzuziehen. Die junge Dame steuerte mit Kletus Rehberg 1877 in den Ehehafen. Doch schon am 05.05.1890 raffte sie eine Lungenschwindsucht dahin. Ob die Spende mit dem Hochzeitstermin des Pflegekindes zusammenhing, lässt sich nicht mehr klären. Jedenfalls spendete die unverheiratete Barbara Holl 1714 Gulden für den Dittlofröder Kirchbau. Im Bauantrag rechneten die Gemeindevorderen mit Kosten in Höhe von 8.800 Mark. Die rund 200 Einwohner mussten also trotz der Spende noch tief in den eigenen leichtgewichtigen Geldbeutel schauen. Der Bauplatz für das Gotteshaus stellte der Bauer Johann Sippel unentgeltlich zur Verfügung. Die Fundamentsteine wurden in einem ca. 2 km von der Baustelle entfernten Steinbruch bei Körnbach gebrochen und behauen. Ochsengespanne schafften die Steine dann nach Dittlofrod. Das Brennen der angesetzten 43.000 Ziegelsteine gestaltete sich noch aufwendiger. Die zum Brennen benötigten Kohlen mussten in Neukirchen vom Bahnhof abgeholt werden, um anschließend von Johannes Gutmann, der Feldbrand-Ziegelöfen setzte, auf einem Gemeindegrundstück an der Oberstoppeler Straße verheizt zu werden.
Für die fest im katholischen Glauben verwurzelten Dittlofröder hatte der anspruchslose Backsteinbau von 8 m Breite und 19.15 m Gesamtlänge in nachgeahmter Gotik durchaus seinen Reiz. Das rechteckige, vier Fensterachsen aufweisende Kirchenschiff mit seinen Spitzbogenfenstern hatte im Südosten einen eingezogenen rechteckigen Chor und an der Nordwestseite einen vorgestellten Glockenturm mit Spitzhelm. Im Glockenturm schlugen zwei Glocken: Eine größere, 1885 von Carl Friedrich Ulrich im thüringischen Apolda gegossene, und eine kleinere, 1924 von der gleichen Firma hergestellte. Maria Barbara Holl, die edle Spenderin, hatte noch ihre Freude an der Kirche; sie verstarb am 05.03. 1890. Ihr Bruder Balthasar folgte ihr auf diesem letzten Weg am 24.02.1891.
Es gibt in Dittlofrod aber noch wesentlich ältere, erhalten gebliebene Zeugen des fest verwurzelten Glaubens. So steht an der Straße nach Körnbach 100 m rechts unter dem Friedhof ein Bildstock mit einem Kruzifixus bzw. Doppelkreuzrelief. Seitlich ist folgende Inschrift zu lesen: IOHANNES HOFMANN HAD TISEN STEIN GOT ZY EHREN LASEN MACHEN 1728.
Auf dem heutigen Hausgrundstück von Hubertus Hillenbrand steht ein unwesentlich jüngerer Bildstock aus dem Jahre 1740. Eine Frau gibt sich als spendable Stifterin zu erkennen. Auf der Rückseite des Bildstocks ist zu lesen: ICH MARIA LIS SETZEN TISEN STEIN GOT ZU EHREN MIT VERHEISUNG MEINES SELIGEN MANNES VALTN GRAMB MIT VERWILLLIGUNG MEINES JETZIGEN M: JOHANNES ZIPEL (Sippel J. Anno 1740″). Dieser Bildstock stand früher auf der so genannten Glockenwiese neben der alten Kirche, wurde allerdings im Zuge der Umlegung 1960 versetzt. Ein dritter Bildstock schmückt die Dittlofröder Flur in einiger Entfernung vom Ortsausgang Richtung Steinbach. Der Stifter war kein Mann der großen Worte; die Inschrift am Kapital ist knapp gehalten: KW 1781.
Mehr über die Stifter und deren Botschaften erfährt man beim Anblick der barocken Vollplastik eines Vesperbildes aus dem Jahre 1807, das in ganzer Pracht vor dem Anwesen von Herbert Sauer steht. Hier heisst es: „ALLE DIE VORÜBER GEHENDEN KNIEHN SOLLEN SICH BEUGEN VOR DEM SISSEN NAMEN JESUS DER DURCH DEN TOD DIE WELT ERLÖST HAT. Dieses Bild hat aufrichten lassen Casper Trost und seine Ehefrau Margaräta im Jahr 1807. Nach mündlichen Überlieferungen im Ort war dem Caspar Trost ein Holzsplitter ins Auge gefallen, worauf er gelobt haben soll, bei Rettung seines Auges ein Vesperbild zu errichten. Die Rettung des Augenlichts muss zu besonderem Weitblick geführt haben, denn das Bild gehört zweifelsfrei zu den schönsten steinernen Zeugen des Glaubens in Dittlofrod.
Rund 50 Jahre später – um 1850 – wurde an der Straße nach Körnbach rechts ein weiterer Bildstock aufgestellt, den ein Ankerkreuz-Relief ziert. Im Dittlofröder Volksmund heißt dieses Glaubensmonument seit Generationen „Balters Bildstock“. Der oder die Stifter geizten jedoch mit ihrem Namen und ließen sich auf dem Stein nicht verewigen. Östlich eines Weges nach Arzell steht ein beeindruckendes Steinkruzifix an der Gemarkungsgrenze in einer Lindengruppe. Die Inschrift lautet: „Es ist vollbracht. Vater in deine Hände empfehl ich meinen Geist. Vater verzeih ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“.
Der Überlieferung nach kam es an dieser Stelle im Jahr 1880 zu einem tragischen Unglück. Ein Dittlofröder war auf dem Weg nach Eiterfeld, um den Pfarrer zu holen. Sein Bruder lag krank hernieder. Der Pfarrersholer erfror im hohen Winter an dieser Stelle, der erkrankte Bruder hingegen beschritt den Weg der Genesung. Der Volksmund spricht hier vom Bottschen Kreuz.
Ebenfalls Pate war das Schicksal beim Bau der Dittlofröder Mariengrotte im Jahr 1946. Es gibt allerdings zwei miteinander verwandte Versionen dieser Patenschaft. Die eine beginnt während schwerer Abwehrkämpfe in der Südukraine im Juni 1944. Dort soll Adam Trost, der bei den Kämpfen verwundet wurde, gelobt haben, im Falle einer glücklichen Heimkehr nach Kriegsende eine Mariengrotte zu erbauen. Das Glück gesellte sich an seine Seite, denn bereits im Juli 1945 kam er aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurück in die Heimat und bekam von seinem Onkel und Taufpaten, Adam Trost, den Hof überschrieben. Die andere Version beruht auf einem Versprechen von Mutter Maria Trost, bei glücklicher Heimkehr ihrer Söhne Adam, Alois, Franz und Albert von den Fronten des Weltkrieges eine Mariengrotte bauen zu wollen. Zwar wird Franz Trost seit dem 30.09.1944 in Rumänien vermisst, doch der überwiegende Teil der mütterlichen Hoffnungen erfüllte sich. Die Kalksteine für den Bau der Grotte wurden im Bruch von Josef Gärtner in Eiterfeld gebrochen. Um die Steine zu bezahlen, haben Alois und Adam Trost in Ermangelung von Bargeld den Einsatz ihrer Arbeitskraft gegenrechnen lassen.